Seit meinen Umzug nach Stuttgart bedeutet dies auch keine
nächtliche Bustour mehr, sondern vielmehr eine angenehme
drei-stündige Zugfahrt. Am Stuttgarter Haupt-bahnhof sammelten sich dann
auch die üblichen Mitfahrer (Wölfi & Co.), wovon zwei erst einmal
Ihren halben Proviant auf den Bahnsteig zerbrachen (mit Dosen wär das
nicht passiert, aber immerhin das Revier markiert). Die Passagiere des
gegenüberliegenden Gleises waren dann auch heilfroh, dass die
Bierkästen-beladene Meute nicht ihren EC enterte, sondern es sich in der
Wochenendticket-tauglichen Regionalbahn bequem machte
bzw. bequem machen
wollte, da der Zug den Bahnhof nicht verließ: Technische Probleme. Da die
Bahn anscheinend erkannte, dass ich den Anschluss in Ulm bekommen musste und
sie daher Gefahr lief, schon wieder auf die Kandidatenliste zum "Marketingflop
des Jahres" zu gelangen, wurde uns gestattet, den wartenden EC ohne Aufpreis zu
benutzen. Die einsetzende Fanwanderung versetzte die EC-Fahrer dann in wahre
Verzückung
so spielt das Leben! Sonst gab es von der Bahnfahrt
nichts zu berichten, abseits von der Meute konzentrierte ich mich in aller Ruhe
auf das bevorstehende Match, wobei einem zum Glück so gut wie kein
Giesinger ablenkte. In München angekommen suchte ich dann nach zig Jahren
mal wieder die Gaststätte "Zum lustigen Bauern" in der Nähe vom
Stadion auf, früher einmal Hauptquartier der "Münchener Tiger", heute
aber nur mit ein paar Ruhrpott-Bazis sowie einigen Giesingern besetzt. Trotz
dieser blauen Gäste (irgendwie war aber in gewisser Weise eigentlich jeder
auf seine Art und Weise blau in diesem Etablissement) gönnte ich mir noch
einige Erfrischungsgetränke, bevor es um 14 Uhr Richtung Stadion ging.
Aufgrund des Derbys wollte ich heute auf jeden Fall oben im Block stehen und
konnte zum Glück auch die meisten anderen Ruhrpott-Bazis dazu
überreden, so dass ich in netter Gesellschaft auf den Anpfiff wartet.
Einzig ein gewisser Norbert G. (Name von der Redaktion geändert) aus
Mülheim hatte arge Probleme, die 8-stündige Anreise zu verdauen: Da
sein bester Kollege ihn in letzter Zeit mit einer Frau hinterging, hatte er
sich in die Tiefen des Alkohols gestürzt: Hatten mir meine anderen
Fanclubkollegen schon erzählt, dass auf der Hinfahrt so richtig gezaubert
wurde, so bestätigte sich dies: Norbert hatte urplötzlich die Reihe
vor sich leer gezaubert und beanspruchte dieses Terrain fortan für sich,
indem er kopfüber über den Wellenbrecher hing. Als ich das
nächste Mal nach ihm schaute, hatte er sich sogar plötzlich selber
fort gezaubert, und dies ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen! Aufgrund des
Einlaufens der Mannschaften hatte ich aber keine Zeit mehr, mir darüber
Gedanken zu machen, vielmehr trug ich durch das Hochhalten eines Papierbogens
meinen bescheidenen Teil dazu bei, per Club Nr12-Choreografie den Turnern zu
ihrem ersten ausverkauften Heimspiel zu gratulieren. Die Giesinger selber
hatten es dank ihrer gesamten Kreativität und Organisationskraft
geschafft, ganze drei Blockfahnen über ihre Köpfe zu ziehen. Fast
schon peinlich wie sie ihre eigene Unfähigkeit immer wieder unter Beweis
stellen. Peinlich waren ebenso die nicht zu übersehenden Lücken auf
der Gegengerade. Als Zuschauerzahl wurde 64.000 genannt, aber wahrscheinlich
wurden dabei alle Balljungen, Ordner etc. mitgezählt: Im wichtigsten Spiel
des Jahres schaffen es die Turner nicht, das Stadion zu füllen, womit die
Legende, dass München überwiegend "blau" sei, nun wirklich getrost in
das Land der Fabeln abgeschoben werden kann. Fairerweise muss man
natürlich auch hinterfragen, warum die Karten nicht von Bayern-Fans
gekauft wurden. Anscheinend ist vielen doch das warme Wohnzimmer lieber als ein
Stadionbesuch. Traurig aber wahr, wobei man aber auf solche Leute ohnehin
getrost verzichten kann. In der Südkurve war es zumindest proppenvoll, was
sich leider nicht auf die Stimmung auswirkte. Sicherlich war alles ganz nett
und besser als bei einem Kick gegen Wolfsburg, aber die Tendenz zu einer
abnehmenden Derby-Atmosphäre nimmt leider weiter ihren Lauf. Vielleicht
liegt es auch daran, dass die Giesinger schon lange (waren sie es jemals?) kein
ernstzunehmender Gegner mehr sind. Ließen unsere (heute in
wunderschönen ROTEN Trikots auflaufenden) Götter es in der ersten
Halbzeit noch ruhig angehen, so schenkten sie dem Katzen-Torwart nach der Pause
fünf Tore ein. Derart angeheizt gestaltete sich die Stimmung dann doch
noch prächtig im Süden, wogegen sich im Norden der Abschaum schon
lange vor Abpfiff nach Hause schlich (sofern man denn ein Zuhause hat, bei
Giesingern ist das wohl eher die Ausnahme). Noch einmal, da man es nicht oft
genug schreiben kann: Mit einem 5-0 Sieg wurde ein weiterer Glanzpunkt in der
unendlichen Reihe von Derby-Erfolgen eingefahren. Nach dem Spiel gönnte
ich mir noch ein Pils mit meinen Fanclubkollegen, bevor ich mich wieder von
ihnen verabschieden musste, natürlich nicht ohne Verweis auf meine
"stressige" 3-stündige Rückfahrt. Diese gestaltete sich dann auch
mehr als angenehm, wobei ich über diverse mir im Zug mitgeteilte
Kriegsberichterstattung einmal den Mantel des Schweigens hülle, da dies
mit Fußball überhaupt nicht zu tun hat und auch kein Platz in diesem
Heft verdient. Zurück in Stuttgart wurde ein perfekter Tag mit einem
Arbeitskollegen auf mexikanisch begossen, so dass einem wohlverdienten
Siegeskader nichts mehr im Wege stand! Und schon wieder Derbysieger - FCB !!
Nachtrag: Zu dem Zeitpunkt, als ich mich schon längst auf den Weg nach
Stuttgart befand, wachte auch Norbert G. wieder auf: In einer Toilette im
Olympiastadion. Dort hatte er sich also während der ersten Halbzeit
hingezaubert. Sein Geld reichte dann immerhin noch, um per Zug bis Koblenz zu
gelangen, wo er sich von einem Freund abholen ließ und sicher nach Hause
gelangte. |